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Warum bloggst du nicht, fragt eine Freundin mich neulich beim Brunch.

Weil ich nicht weiss, was ich Sinnvolles schreiben könnte, antworte ich.

Schreib, weil es dir gut tut, sagt sie. Schreib, weil es Spass macht. Schreib, um des Schreibens willen. Schreib, darüber, was im Alltag passiert, portraitiere Passanten, schreib übers Wetter, saure Milch, verpasste Aufzüge, plötzliche Regenschauer, deinen Gang zum Bäcker, trockene Brötchen, lauwarmen Kaffee, herannahende Alto-Kumuli, melodramatische Nachbarn, namenlose Blumen, geblümte Teller, Teelöffel und Fahrräder, schwierige Kollegen und leichte Ironie. Schreib über dein Leben, sagt sie.

Das ist Content-Strategie, denke ich und entgegne:

Aber wen interessiert das? Wem dient das? Was bringt das? Das Internet muss nützen, es muss dienen, es muss helfen. Da, wo es bloss palavert, babbelt, daherredet, da ist es tot. Gedichte und Manifeste, Novellen, die hohe Literatur, Philosophie und Geschichten: Sie dienen nur sich selbst, finden kein Publikum und kein Publikum findet sie.

Das Internet diktiert: Ich muss schreiben, was interessiert, was anderen hilft und sie zerstreut, wonach andere suchen. Meine Texte sind Texte, die geklickt und verlinkt und geshared werden. Meine Texte schaffen es auf die erste Seite bei Google, in die Drop-Boxen, Evernote-Speicher und digitalen Archive meiner Leser.

Ich muss schreiben, was für andere einen Mehrwert bedeutet.

“Warum denn?”, fragt sie. “Kriegst du denn Geld für deine Posts?”

Nein, nicht Geld, einen Platz auf den Bildschirmen der Welt, wollen meine Inhalte. Die Leute sollen sehen, was ich kann, sie sollen sehen, wie ich arbeite sie sollen sagen können, wie ich Dinge besser machen kann. Meine Texte sollen zeigen, wie dialogfähig, kommunikativ, aufgeschlossen, neugierig, authentisch, kompetent und pro-aktiv professionell ich bin. Meine Inhalte sollen Werbung sein für mein Profil, meine Marke, mich.

Das ist Content-Strategie, sage ich.

“Und wo bleibt da mein Feierabend?”, fragt sie. Da will ich etwas, was mich anregt, amüsiert oder unterhält. Da will ich nicht wissen, wie ich meine Herdplatte sauber kriege, korrekt Kuchen schneide, Messer wetze, meinen Salat gesunder und meinen Gehalts-Scheck dicker mache. Und pro-aktive Profile will ich schon gar nicht.

Ich will Geschichten lesen. Geschichten aus dem Alltag, Geschichten, in denen ich mich wieder finde. Ich will Geschichten, die gemocht, gehasst, gefürchtet werden. Gedichte, die überraschen, denen Google egal ist und denen die grosse, weite Internet-Kommune recht knapp am Allerwertesten vorbeigeht. Ich will Geschichten, die es in meinen Kopf, meinen Bauch und mein Herz schaffen.

Ich will Geschichten, die nicht nützlich, sondern für Menschen sind.

Auch das ist Content-Strategie.