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Filmproduktion fängt vor dem Filmen an. Denn wer sich aufs Filmen vorbereitet, produziert später nur, was er oder sie für die Geschichte braucht. Es geht weniger vergessen und die Produktion läuft um Einiges runder.

Die zwei wohl wichtigsten Planungs-Tools in der Multimedia-Produktion sind das Storyboard und das Skript. Beide Tools können granular und detailliert oder in groben Zügen und eher abstrakt eingesetzt werden. Storyboards sind visuell konkreter als Skripte. Im Storyboard wird klar wie das Skript mit einzelnen Shots (oder Kameraeinstellungen) umgesetzt werden soll. Das Skript konzentriert sich auf die Geschichte – und klärt im Idealfall viele organisatorische Fragen.

Investiere in Vorbereitung

Entscheidend ist, dass rund ein Drittel der verfügbaren Ressourcen in die Entwicklung eines Skripts und/oder eines Storyboards (also in die Vorbereitung oder Preproduction) investiert werden.

Skripten ist eine fantastische Möglichkeit Multimedia-Produktionen zu planen. Dies vor allem deswegen, weil Text sehr flexibel anpassbar ist. Neue Ideen können schnell integriert, überflüssiges gestrichen, Änderungen eingebracht werden, ohne dass dadurch viel Aufwand entsteht. Iteratives Arbeiten auf Skript-Stufe ist um ein Vielfaches leichter, als später (oft zu spät) in der Postproduktion.

Wie bei jeder Textgattung wird auch das Skript besser, wenn es sich an geltende Konventionen hält. Skript-Konventionen erlauben schnelleres Überfliegen, aber vor allem die maschinelle Generierung von Reports, die für die Produktion relevant sind: Locations, Rollen, Dialoge: Für (fast) alle benötigten Infos am Set lässt sich mit Hilfe von standardisiertem Skript-Format und der passenden Software ein eigener Report generieren.

Skripte-Schreiben ist anders

  • Show, don’t tell: Ein Skript muss beschreiben, was die Kamera sehen kann. Gedanken, Gefühle, Emotionen: Alles muss vor der Kamera gezeigt werden können. “Sie ist traurig” etwa funktioniert in einer Erzählung. Hier kann sich der Leser vorstellen, was das bedeutet. Für visuelle Medien müssten wir umschreiben auf eine ‘zeigende’ Art: “Sie setzt sich, seufzt, eine Träne rinnt über ihre Wange”. Nicht erzählen, sondern zeigen, ist die Devise.
  • What is what: Natürlich hilft es, wenn man versteht, aus welchen Bausteinen sich eine Multimedia-Produktion zusammensetzt. Hier kommt auch das Format von Skripten ins Spiel.
  • Format: Durch das standardisierte Format von Skripten wird sofort klar, welche Akteure, Locations und Props vorzubereiten sind. Das hilft bei der Vorbereitung des Shoots, aber auch beim Lesen (und Kommunizieren) eines Skripts.

Bausteine fürs Film-Skript

Die fünf wichtigsten Bausteine für kleinere Skripte fasse ich hier zusammen:

  • Scene: Die Szenenbezeichnung, meist mit Ortsangabe (z.B. INT. WARTERAUM – NACHT), definiert an welchem Ort (location) sich die Handlung abspielen wird. Format: Linksbündig, Grossbuchstaben.
  • Action: In Action-Segmenten wird beschrieben, was sich vor der Kamera abspielen wird (z.B. Würmli wartet, sitzend. Anna geht auf ihn zu, streckt die Hand aus, Würmli zögert, steht dann auf und schüttelt ihre Hand). Format: Linksbündig, Normaltext.
  • Character: Die Rollenbezeichnung (z.B. WÜRMLI oder ANNA) bezeichnet die Figur, die gerade etwas macht oder sagt. Format: Zentriert, Grossbuchstaben.
  • Dialogue: Sprechsequenzen geben exakt wieder, was eine Figur sagt (z.B. “Guten Tag Herr Würmli!”). Format: Links und rechts eingerückt, Normaltext.
  • Parenthetical: Klammerbemerkungen dienen dazu Präzisierungen anzubringen. Sie können sich auf Scenes, z.B. INT. WARTERAUM – NACHT (9PM), Figuren, z.B. WÜRMLI (ängstlich), oder Action-Segmente, z.B. Würmli wartet (nervös), beziehen. Format: In Klammern.
  • Transition: Mit Übergangselementen wird angezeigt, wie die Handlung von einer Szene an die nächste weitergereicht wird (z.B. CUT TO). Format: Rechtsbündig, Grossbuchstaben.
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Werkzeug fürs Skripten

Bei meinen ersten Skript-Versuchen habe ich mir eine vereinfachte Version dieser Konvention in Word nachgebaut. Vorteil hier: Alle kennen das Tool. Entsprechend einfach ist es Files hin- und herzureichen. Ebenso bekannt wie das Werkzeug Word sind dessen Nachteile.

Sobald ein Dokument stärker auf Formatierung und Strukturierung ausgelegt werden soll, macht uns die Flut der Möglichkeiten innerhalb von Word das Leben schwer. Wer schon einmal versucht hat, ein Skript in Word zu schreiben weiss: Endlose Nachkorrekturen und Click-Marathons sind vorprogrammiert.

Deshalb habe ich kürzlich begonnen mich mit spezialisierten Script Writing-Applikationen auseinanderzusetzen. Zwei sind für mich besonders nützlich:

  • Trelby: Trelby schaut nicht viel anders aus als ein ganz normaler Text-Editor. Speziell sind die Tastaturkürzel. Per Tastendruck wird eine Zeile zum Dialog, zum Action-Segment oder zur Transition. Immer mit der entsprechend normierten Formatierung. Allein für dieses Feature lohnt sich die Installation bereits. Trelby bietet den super einfachen Einstieg in die Welt der Script-Writing Software.
  • Kit Scenarist: Scenarist bietet wie Trelby die Möglichkeit, Zeilen via Tastenkombination einem Skript-Baustein-Format zuzuweisen. Die Applikation bietet aber viel weitreichendere Funktionen als Trelby. So bietet Scenarist zusätzlich Versionierung, Kommentar- und Kollaborationstools, Statistiken, ein Tool für Meta-Informationen (z.B. Figurenbeschreibungen) und die Möglichkeit Szenen visuell neu zu ordnen. Scenarist ist für alle Skript Writer, die höhere Ansprüche an Featuers und Design haben.

Schreiben mit der Kamera im Kopf

Beide Programme sind hervorragende Lehrmeister, denn hier wie dort kann man nicht nicht formatieren. Als Skript-Schreiber wird man gezwungen sich bei jeder Zeile zu überlegen: Ist das nun ein Action-Segment? Eine Figurenbezeichnung oder ein Übergang?

Was mühsam klingt, ist sehr schnell super praktisch, denn solange unklar ist, wie ein Baustein zu kategorisieren ist, liegt ziemlich sicher ein Problem vor. Vielleicht lässt sich ein Dialog-Segment so nicht umsetzen, ein Action-Segment enthält innere Monologe, oder wir können für viele Szenen keine Location angeben?

In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben. (J.W. von Goethe)

Der Zwang zum Ordnen, die Verpflichtung visuell zu schreiben, immer mit der Kamera im Kopf (und die sehr einfache Formatierarbeit): Darin liegt der das befreiende Potenzial von Skript-Konventionen und von Skript-Writing Software.

Good to know

  • Beide empfohlenen Applikationen sind Open Source und mit Ihnen erstellte Skripte können via offener Standards (z.B. Skript-Markup-Sprache Fountain) untereinander und mit professionellen Skript-Writing-Software wie Final Draft ausgetauscht werden.
  • Faustregel: 1 Seite standardisiertes Skript entspricht 1 Minute Spielzeit. Dadurch wird die Abschätzung der erwarteten Spielzeit viel einfacher.

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