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Zu dieser Frage gab’s doch irgendwo ein Konzept, oder?!

Logisch gab’s das. Und wahrscheinlich gibt es das gesuchte Papier auch immer noch. Nur: Es ist und bleibt nicht auffindbar.

Konzepte-Schreiben will gelernt sein: Oft besteht ein Konzept aus mehreren Unter-Konzepten, meistens allerdings ohne gegenseitige Verlinkungen. Findet sich gesuchtes Konzept trotzdem, gleicht es oft einer herkulischen Heldentat den Kern der da konzipierten Chose herauszufiltrieren.

Der Herr Leser soll schliesslich auch ordentlich alles aufnehmen. Bis zur letzten zögerlich-bürokratischen Zeile. Elemente, die das schnelle Verstehen erleichtern könnten, fehlen meist. Also keine Lead-Texte, keine Titel, Zusammenfassungen, Aufzählungen, keine knappen Thesen oder verdeutlichende Grafiken. Es heisst also: Entweder die ganze Packung oder gar nichts.

Was ist ein gutes Konzept?

Ein gutes Konzept ist wie eine Landkarte für die Entwicklung einer Organisation. Es beschreibt die Topografie der zu absolvierenden Aufgabe, definiert Wendepunkte und sagt, wann das Ziel denn bittschön erreicht sein sollte. Konkret meistert das ideale Konzept die folgenden sechs Aufgaben:

  1. Neue Ideen beschreiben
  2. Bestehendes analysieren
  3. Neues und Altes verbinden
  4. Neues kommunizieren
  5. Entscheide erleichtern
  6. Entscheide dokumentieren

1. Ein Konzept hält neue Ideen fest.

Dies ist die Kernfunktion eines Konzeptes: Neue Ideen in den Kontext der Organisation einzuführen.

Dabei diskutiert ein Konzept-Papier mindestens die folgenden Aspekte einer Idee:

  • Warum braucht die Organisation diesen neuen Ansatz?
  • Was sind die Vorteile der neuen Idee? Welche Nachteile sind absehbar? Was ging dem aktuellen Konzept voraus?
  • Wer soll die Idee umsetzen? Wen betrifft die Einführung des neuen Ansatzes?
  • Wie soll die neue Idee eingeführt und umgesetzt werden? Wie gross ist der Eingriff (Zeit, Budget, Personal)?
  • Wann soll der Change-Prozess abgeschlossen sein?

Ein Konzept, dass alle diese Fragen behandelt, umreisst den Kern einer Idee, ohne dabei auszuufern. Die Frage nach dem wer und dem wie stellen sicher, dass die Idee nicht nur genial sondern auch realisierbar ist.

2. Ein Konzept analysiert Bestehendes (neu).

Damit der Blick nach vorne Sinn macht, sammelt ein Konzept Zurückzulassendes.

Neue Ideen um deren Neuheit willen einzuführen, ist nicht zielführend. “Never change a winning team!”, sagen die, die jedem Wechsel die Zähne zeigen. “If you are unsuccessful, redefine success!”, plädieren jene, die einfach etwas anderes wollen.

Damit eine neue Idee – auch gerade politisch – Chancen hat, sich durchzusetzen, ist es unerlässlich Bestehendes zu evaluieren. Die Wirkung positiver Kritik ist dabei unübertroffen: Ein Kompliment für eine alte Website, ein Lob für einen geleisteten Effort ebnet den Weg für die Dinge, die nicht funktionieren, öffnet die Tür für Alternativen.

3. Ein Konzept verbindet neue Ideen mit alten.

Nicht jede neue Idee ist gut. Deshalb und weil wir alle nur ungern von Altbekanntem abweichen, ist ein Aufbau von Neu auf Alt oft besser als Abriss und Neubau.

Wer ein Konzept liest, will sich bestätigt wissen. “Was ich bisher gemacht habe, war ganz passabel”, das muss ein Konzept einer kritischen Leserin kommunizieren.

Neue Corporate-Farben? Man nehme Bezug auf die bestehenden Tonalitäten. Neue Informations-Architektur? Man zeige, welche Strukturen funktionieren, und welche optimiert werden könnten. Neue Texte? Man lasse Altes vorlesen und dann Neues.

Dieses interaktive In-Bezug-Bringen ist effektiver als jedes Argument. Dies deshalb, weil sich jeder sagen kann: “Stimmt, das hat mich auch schon immer gestört. Höchste Zeit, das wir das anders machen!”

4. Ein Konzept kommuniziert neue Ideen.

Die Knacknuss so vieler Konzepte besteht darin, dass sie nicht oder nur teilweise gelesen werden. Denn: Sie kommunizieren schlecht.

Welcher Büro-Mensch kennt sie nicht, die akut-auftretende, plötzlich-bleierne Müdigkeit nach Zeile vier auf Seite eins von vierundzwanzig? “Einleitung” verrät der Titel. Die Augen fallen zu.

Diese Erfahrung ist symptomatisch für Konzepte, die achtlos dahingeschrieben oder unglaublich politisch korrekt sind.

Doch: Müssen Konzepte langweilige Papiertiger und Schubladen-Stopfmaterial sein? Ich glaube nein.

Schliesslich setzt sich ja nicht die beste Idee durch, sondern diejenige, die am leichtesten verstanden wird. Wer Konzepte solide strukturiert und spannend erzählt läuft Gefahr, dass seine Ideen tatsächlich aufgenommen, kommentiert und kritisiert werden.

Kürzlich haben wir klammheimlich den gefühlt zehnten Styleguide für unser Departement publiziert und – wurden flugs darauf angesprochen. Inhaltlich war das Konzept praktisch identisch mit gescheiterten Versionen. Einziger Unterschied: Es war unterhaltsam statt staubig.

5. Ein Konzept dient als Grundlage für Entscheide.

Ein Konzept liefert Argumente dafür und Argumente dagegen. Nur Konzepte, die eine Auslegeordnung bieten, also Vorschläge und Alternativen, Thesen und Antithesen, dafür und dawider zusammenbringen, unterstützen Entscheidungen.

In meiner Konzptarbeit spiele ich oft den Teufelsadvokaten: Ich verteidige also praktisch immer die Meinung, die generell nicht vertreten wird. Nicht unbedingt weil ich sie persönlich favorisiere, sondern, um alle Argumente auf dem Tisch zu haben.

Die Auslegeordnung verhindert, dass Entscheidungstragende von Beginn weg in eine Richtung getrieben werden. Empfehlungen haben selbstverständlich ihren Platz in einem Konzept. Sie müssen allerdings klar als solche deklariert und von Argumenten, Fakten und Zahlen abgegrenzt werden.

6. Ein Konzept verbrieft Entscheide.

Konzepte sind Dokumentation eines Change-Prozess in einer Organisation. Auch Jahre nach einer Entscheidung muss ein Konzept leicht auffindbar, vollständig und verständlich sein.

Das bedingt, dass Konzepte so abgelegt werden, dass sie auch ohne halbstündige Einführungen in eine babylonisch-anmutende Ablage wieder auffindbar sind. Ob man sich für ein hierarchisches Ordnersystem, für Beschreibung der Konzepte mit Meta-Daten entscheidet, ist eine Frage der Präferenz. Entscheidend ist, dass das System von Anfang an auf Wachstum und Erweiterung ausgelegt ist. Und natürlich müssen alle Dokumente konsequent und gründlich gleich behandelt werden.

Klar ist, dass Konzepte vollständig abgelegt sind: Sie dürfen nicht einfach verschwinden. Etwas weniger offensichtlich ist das Gegenteil: Mehrere Versionen eines Dokumentes erschweren die Such-Arbeit im Nachhinein enorm. Andernfalls vermischen sich Entwürfe, Rechtsgültiges und halb Vernehmlasstes. Keine dolle Ausgangslage.

Und Konzepte sollten auch Jahre nach der Schreibe verständlich bleiben: Das heisst, dass Konzepte möglichst auf Insider-Begriffe und Jargon verzichten sollten. Diese Dinge ändern sich womöglich schneller, als man denken würde. Kürzel müssen alle zuerst lernen. Es lohnt sich also Akronyme einzuführen. Personen kommen und gehen, deshalb kann es wichtiger sein, die Funktion als den vollständigen Namen und Titel festzuhalten. Und: Dinge generell klar zu benennen, so dass auch künftige Kolleginnen auf Durchblick hoffen können.

Wie gehen Sie mit Konzepten um?

Sind Sie nicht einverstanden? Sehr gut! Lassen Sie mich wissen, wo ich falsch liege. Ich freue mich!

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