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Digital Collaboration steht seit Corona ganz oben auf die Agenda vieler Unternehmen. Doch was braucht’s, damit Zusammenarbeit auch in Zeiten leerer Office-Komplexe funktioniert? Tools, Methoden, Mindset, alles?

New Tools

Es ist nur menschlich, die Lösung der Challenge “wie switchen wir jetzt unseren Bürobetrieb auf Remote Work” in neuen Tools zu suchen. An Angeboten mangelt es ja nicht. Eine Plethora an Productivity-Apps, Kollaborations-Plattformen und Virtual Office Suites rangelt um die Gunst des Enterprise-Kunden.

Mit dem neuen Tool wird alles besser.

Die luftigen Werbeverprechen all dieser Angebote verleiten dazu, im Tool der Wahl den Allheilsbringer zu sehen. Die Erfahrung zeigt aber gerade bei sehr flexiblen Tools wie Slack, Teams, Google Suite oder Basecamp, dass mit der Anschaffung des Tools die eigentliche Transformationsarbeit erst beginnt.

New Methods

Viel langwieriger ist die Alternative: Digital Collaboration wird nicht an Tools, sondern an sexy klingenden Buzzwords wie “Agile”, “Kanban”, “Holacracy” oder “Scrum” festgemacht.

Lasst uns agiler arbeiten.

Jede dieser Methoden hat natürlich ihre Daseinsberechtigung. Allerdings bringt auch dieser Ansatz für ein analog-traditionell operierendes Business Probleme mit sich. Zum einen bergen auch die oft gehörten Buzzwords die Gefahr, dass man in ihnen eine einfache Lösung für ein meist unüberschaubares Problem sieht.

Zudem hängen diese Methoden am Anfang oft in der Luft, sind Selbstzweck. Klar, es ist nicht falsch agiler arbeiten zu wollen. Doch was wollen wir damit schlussendlich erreichen? Wenn bei der Einführung einer neuen Methode diese Warum-Frage nicht beantwortet werden kann, ist sie zum Scheitern verurteilt.

Und: Gerade für Firmen, die mit digitaler Kollaboration noch wenig erfahren sind, kommt der Umstieg von analog-traditionell auf digital-agil einem Wechsel vom Strassenverkehr in die Formel 1 gleich: Sicherlich machbar, aber die Gefahr der Überforderung aller Involvierten ist gross.

New Mindset

Als dritten Weg sehe ich den Zugang über die Unternehmenskultur. Und ein klares Verständnis davon, warum sich die Zusammenarbeit ändern soll:

  1. Effizienz: Ob neue Tools oder neue Methoden – das Ziel ist immer, dass (Zusammen-)Arbeit effizienter wird. Das heisst, dass ein Unternehmen schneller und mit weniger inneren Widerständen von seinem Ausgangspunkt ans Ziel kommt. Mit zufrieder Mitarbeitenden und Kunden als Resultat.
  2. Flexibilität: Zudem sollen neue Arbeitsformen Unternehmen flexibler machen. Unternehmen sollen also schnell auf neue Anforderungen ihrer Kunden oder externe Faktoren (wie z.B. Corona) reagieren können.

Steht ein neues Tool oder eine neue Methode zur Debatte, muss immer klar sein, wie diese Neuerungen zu mehr Effizienz oder höherer Flexibilität führen sollen.

Gleichzeitig zeigt dieses Grundverständnis: Es geht nicht um Tools versus Methoden. Es geht darum Probleme zu lösen und zwar auf dem direktest-möglichen Weg.

1. Mit den Problemen beginnen

Niemand wird gerne kritisiert. Und doch: Ohne Kritik (an sich selbst) kommt eine Institution nicht weiter. Meist verbergen sich in “Problemen” auch gleich Dinge, die mit oft relativ geringem Aufwand (und etwas digitaler Denke) optimiert werden können (es sind dies die sprichwörtlichen “Low-Hanging Fruit”). Der erste Schritt besteht darin, dass man sich eingesteht, dass es ein Problem gibt.

Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.

Sitzungen sind ein gutes Beispiel dafür. Jede Inneffizienz in der Sitzungskultur eines Unternehmen ist gravierend, da jede vergeudete Minute sich mit jedem Sitzungsteilnehmer multipliziert. Es handelt sich also um Low-Hanging Fruit. Doch wo steckt die Lösung in diesem Problem?

Wie viele Dinge in der digitalen Arbeitswelt, beginnt der Lösungsweg mit der Suche. Wie haben andere das Problem vor uns gelöst? Bei meinem aktuellen Arbeitgeber haben wir Ansätze wie Stand-ups gefunden und das Sitzungsformat von Basecamp für uns angepasst.

Keine umfassenden Modelle, wohlgemerkt, sondern Lösungen für ein ganz spezifisches Effizienzproblem.

2. Nutzen, was da ist

Ob Auto, Waschmaschine oder Kollaborations-Plattform: Selten nutzen wir das, was wir haben voll aus.

Change tools only, when you are certain, it is the tool and not the way you handle it, which is holding you back.

Um das Maximum aus den verfügbaren Tools herauszuholen, braucht es vor allem die Einsicht, dass wir meist nicht vom Tool zurückgehalten werden, sondern von der Art und Weise, wie wir es einsetzen.

Wenn wir also z.B. mehr soziale Interaktion wollen im Team, könnten wir natürlich eine neue Plattform suchen. Oder – und das sehe ich als die bessere Lösung an: Wir könnten die Art und Weise verändern, wie wir unser aktuelles Tool einsetzen.

Denkbar sind etwa eigene Channels oder ein eigener Bereich für soziale Interaktion. Oder die Aufforderung in Meetings die Video-Kameras einzuschalten. Oder das Zu-Früh-Kommen zu digitalen Meetings, so dass vor dem Business Zeit für Soziales bleibt.

Oft erzwingen gerade die Limitierungen des aktuellen Tools kreative Lösungen.

3. Digitale Kultur entwickeln

Entscheidend ist aber, dass sich alle darüber im Klaren sind, inwiefern sich Digital Collaboration von traditionell-physischer Zusammenarbeit unterscheidet:

  1. Transparenz: Transparenz ist die Basis digitaler Zusammenarbeit. Jeder Mitarbeiter muss Zugriff auf alles haben. Das ist nur möglich, wenn Entscheide, Arbeitsschritte, Resultate, Aufgaben und Vorschläge allen im Team zugänglich sind. Dazu muss vieles verschriftlicht und formalisiert werden. Diese Verschriftlichung und Formalisierung kann bürokratisch wirken. Doch sie ist die Basis für den wichtigsten Zugang zu Information im digitalen Zeitalter:
  2. Suche: Die Suche ist (spätestens seit Google) der schnellste Weg zu Information. Damit Suche funktionieren kann auf einer Kollaborationsplattform, müssen Protokolle, Todos und Dokumente transparent und immer bereits im Hinblick auf die Suche erfasst werden. Und: Alle Information muss an einem Ort oder auf einem Index zusammengefasst werden. Denn, seit Google, sind wir nicht mehr bereit an zehn verschiedenen Orten mit unserer Recherche zu beginnen.
  3. Ein Ort: Weil Suche so entscheidend ist, muss Information zusammengeführt werden. Werden nun aber immer neue Tools eingeführt, entstehen automatisch Silos. Für Info A, muss Tool X, für Info B, Tool Y befragt werden. Das führt dazu, dass die Meta-Information (welche Information, findet sich auf welchem Tool) wesentlich schwieriger zu handeln ist. Die Usability für Mitarbeitende wird schlechter, die Effizienz sinkt.
  4. Personalisierung: Besser wird die Usability (und damit das digitale Arbeitsklima) für Mitarbeitende, wenn sie so arbeiten können, wie es für sie am besten ist. Das fängt an mit der Möglichkeit Benachrichtigungen und Mails zu konfigurieren. Die Umstellung auf asynchrones Arbeiten gibt Mitarbeitenden die Freiheit, sich auch zeitlich so zu organisieren, wie es für sie am besten passt. Dies zeigt sich beispielsweise im Wechsel vom Telefonanruf oder der Mail auf Benachrichtigungen, die dann ankommen, wenn der Empfänger Zeit dafür hat, wie dies in vielen Kollaborationsplattformen möglich ist.
  5. Digitale Personas: Die Gaming-Industrie macht es seit Jahrzehnten vor. Persönlich werden digitale Welten nur dann, wenn menschliche Qualitäten und Charakteristiken in die digitale Umgebung übersetzt werden. Auch der digitale Arbeitsalltag braucht solche Avatare. Digitale Repräsentationen der Mitarbeitenden. Dabei geht es nicht nur, dass sofort ersichtlich ist, wer welche Skills hat, wer also wo unterstützen könnte, sondern auch darum, dass Mitarbeitende sehen können, welche Persönlichkeiten sich hinter all den Notifications und Meetings und digitalen Arbeitsartefakten verbergen.

4. Ständig optimieren

Ein weiterer Aspekt digitalen Arbeitens liegt darin, dass – egal von welchem Service oder Produkt wir sprechen – es immer noch etwas besser geht. Natürlich war das auch schon zu analogen Zeiten der Fall. Doch mit modernen Search Engines ist die Konkurrenz und damit der Vergleich mit dem immer noch etwas Besseren sprunghaft näher gerückt.

Dieser immer drohende Vergleich mit der Welt macht fortwährende Innovation und Optimierung unumgänglich. Wer sich diesem Entwicklungsdruck widersetzt, wird zurückgelassen, sowohl als Arbeitskraft als auch als Firma.

Kritik ist eine leicht erschliessbare Quelle der Innovation.

Entscheidend für den Erfolg in digitalen Zeiten ist also, dass Firmen erkennen, wo unternehmensintern Innovation “passiert”, dass sie formalisieren, wie sie Wandel anstossen, wie sie beispielsweise Kritik kanalisieren und auf die Optimierungsmühle umlenken.

Wir müssen uns alle ständig hinterfragen (lassen). Analog gedacht, setzt dies enormen Druck auf. Digitale Denker im Gegenzug entwickeln aus Ungewissheit und Kritik Neues.

Wie geht es besser?

Wie verwandeln Sie Ihr Unternehmen vom analog tickenden Unternehmen in ein digital operierendes Business?

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